Verständnis häufiger Rudergerät-Verletzungen
Indoor-Rowing hat in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen – als gelenkschonendes, ganzheitliches Training, das Ausdauer und Kraft vereint. Seine Attraktivität liegt in der Zugänglichkeit: Jeder kann sich auf ein Rudergerät setzen und mehrere Muskelgruppen gleichzeitig trainieren, ohne die Gelenkbelastung von Lauf- oder Kontaktsportarten. Doch obwohl Rudern als sichere Trainingsform gilt, bleibt die Verletzungsprävention beim Rudergerät ein zentrales Thema für Sportler, Fitnessbegeisterte und Freizeitruderer gleichermaßen. Die wiederholende Bewegung des Ruderschlags, in Verbindung mit fehlerhafter Technik oder Übertraining, kann zu spezifischen Verletzungen führen, die den Fortschritt beeinträchtigen und die Vorteile dieses hervorragenden Trainings schmälern.
Die häufigsten Rudergerät-Verletzungen betreffen drei Bereiche: unterer Rücken, Knie und obere Extremitäten (Schultern und Handgelenke). Rückenschmerzen entstehen meist durch übermäßige Beugung der Lendenwirbelsäule während der Antriebsphase – wenn die Beine drücken und der Rumpf aktiviert wird. Viele neigen dazu, den Rücken zu krümmen, anstatt eine neutrale Wirbelsäule zu halten, was Druck auf die Bandscheiben und die umgebende Muskulatur ausübt. Knieschmerzen, insbesondere im Bereich der Kniescheibe (Patellofemoral-Gelenk), entstehen häufig durch falsche Bewegungsführung – wenn das Knie nicht in Linie mit dem Oberschenkel verläuft – oder durch Überstreckung in der Endphase des Schlages. Schulter- und Handgelenksbeschwerden resultieren oft aus zu festem Griff, falscher Griffhaltung oder wiederholter Belastung der Sehnen. Diese Verletzungen sind vermeidbar – sie verdeutlichen lediglich, wie wichtig gezielte Strategien zur Verletzungsprävention beim Rudern sind, um langfristige Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu sichern.
Das Verständnis dieser Risiken soll nicht vom Rudern abschrecken, sondern Ruderer befähigen, klüger zu trainieren. Indem man die Ursachen – von technischen Fehlern bis zu Überlastung – erkennt, zeigen die folgenden Abschnitte praktische Maßnahmen, um sie zu vermeiden. Vom Erlernen der richtigen Technik bis zum bewussten Wahrnehmen der Körpersignale spielt jede Strategie eine entscheidende Rolle für ein sicheres, effektives Training.
Die richtige Ruder-Technik beherrschen
Im Zentrum der Verletzungsprävention steht die korrekte Technik. Ein vollständiger Ruderschlag besteht aus vier Phasen, die eine präzise Koordination von Beinen, Rumpf und Armen erfordern, um die Belastung gleichmäßig zu verteilen.
Phase 1 – Der „Catch“ (Vorbereitung): Die Knie sind gebeugt, die Schienbeine senkrecht, der Rücken aufrecht. Die Arme sind gestreckt, der Griff wird locker gehalten, der Körper befindet sich nahe an der Vorderseite des Geräts. Diese Ausgangsposition ist entscheidend: Eine neutrale Wirbelsäule (weder rund noch überstreckt) schützt den unteren Rücken, und die richtige Beinposition ermöglicht eine effiziente Kraftübertragung.
Phase 2 – Der „Drive“ (Antrieb): Hier entsteht die Hauptkraft des Schlages. Entgegen der landläufigen Meinung beginnt der Antrieb mit den Beinen – durch Druck gegen die Fußstützen – und nicht mit den Armen oder dem Rücken. Während die Beine sich strecken, stabilisiert die Rumpfmuskulatur den Oberkörper, gefolgt von einer kontrollierten Armbewegung in Richtung Bauch. Diese Reihenfolge (Beine → Rumpf → Arme) ist der Kern einer sicheren Rudertechnik: Sie verhindert, dass der untere Rücken überlastet wird, und verteilt die Kraft auf größere Muskelgruppen.
Phase 3 – Der „Finish“ (Endposition): Die Beine sind gestreckt, die Arme werden zur unteren Rippenregion geführt, der Rücken ist leicht nach hinten geneigt.
Phase 4 – Die „Recovery“ (Rückkehr): Der Weg zurück zur Startposition erfolgt in umgekehrter Reihenfolge (Arme → Rumpf → Beine) – ruhig und kontrolliert, ohne ruckartige Bewegungen.
Falsche Technik ist eine der Hauptursachen für Verletzungen. Ein runder Rücken beim Antrieb belastet die Bandscheiben, zu frühes Ziehen mit den Armen überfordert Schultern und Unterarme, und überstreckte Knie destabilisieren das Becken. Wer seine Technik durch Selbstbeobachtung, Videoanalyse oder mit Hilfe eines Trainers verbessert, kann sein Verletzungsrisiko drastisch senken – und gleichzeitig die Effizienz jedes Schlages erhöhen.
Das Aufwärmen vor dem Rudern
Verletzungsprävention beginnt vor dem ersten Schlag – mit einem gezielten Aufwärmprogramm. Ein effektives Warm-up bereitet Muskeln, Sehnen und Gelenke auf die dynamischen Bewegungen des Ruderns vor, reduziert Steifheit und verbessert die Durchblutung. Das Auslassen dieser Phase ist ein häufiger Fehler: Kalte Muskeln sind weniger elastisch und damit anfälliger für Mikroverletzungen.
Ein gutes Aufwärmprogramm konzentriert sich auf die beim Rudern beanspruchten Bereiche: Hüften, Knie, Schultern und unteren Rücken. Dynamisches Dehnen ist ideal, da es die Ruderbewegung nachahmt und den Bewegungsradius erhöht. Beinschwünge (vorwärts und seitlich) lockern die Hüftbeuger und verbessern die Beckenmobilität. Knie-zur-Brust-Bewegungen dehnen den unteren Rücken und die hintere Oberschenkelmuskulatur. Armkreise und diagonale Armbewegungen aktivieren Schultern und oberen Rücken. Zusätzlich eignen sich 2–3 Minuten leichter Ausdauersport – etwa auf der Stelle joggen oder Hampelmänner – um den Kreislauf anzuregen.
Das Ziel ist es, den Körper vom Ruhe- in den Aktivmodus zu versetzen. Wer 5–10 Minuten für diese Vorbereitung investiert, senkt das Verletzungsrisiko deutlich und sorgt für flüssigere, effizientere Bewegungen.
Das Rudergerät richtig einstellen
Selbst mit perfekter Technik kann eine falsche Geräteeinstellung die Verletzungsgefahr erhöhen. Das Rudergerät lässt sich individuell anpassen – aber nur, wenn Fußposition, Sitz und Griff richtig eingestellt sind.
Die Fußriemen sollten den Ballen des Fußes fixieren (nicht den Spann oder die Ferse) und fest, aber nicht einschnürend sitzen. Zu lockere Riemen führen dazu, dass die Füße verrutschen, was zu Ausgleichsbewegungen in Knie und Rücken führen kann. Der Sitz muss leichtgängig und ohne Widerstand gleiten. Der Griff sollte so positioniert sein, dass die Arme in der Vorwärtsbewegung natürlich gestreckt werden können, ohne die Schultern zu überdehnen oder den Rücken zu runden.
Auch die Widerstandseinstellung (Dämpfer) spielt eine Rolle. Viele Anfänger wählen zu hohe Einstellungen (über Stufe 6), weil sie glauben, damit stärker oder „realistischer“ zu trainieren. Tatsächlich erhöht das nur die Belastung, ohne die Technik zu verbessern. Ein Bereich von Stufe 3–5 ist für die meisten optimal – er ermöglicht einen kontrollierten, fließenden Schlag mit Fokus auf Technik statt Kraft.
Ausgewogene Trainingsgewohnheiten
Verletzungsprävention bedeutet auch, das Training ausgewogen zu gestalten. Überlastungsverletzungen sind häufig bei Ruderern, die zu oft und zu intensiv trainieren, ohne ausreichende Erholung. Die wiederholte Bewegung des Ruderschlags kann bei fehlender Regeneration zu Sehnenreizungen, Muskelungleichgewichten oder Gelenkermüdung führen.
Das Geheimnis liegt in Maß und Abwechslung. Vermeiden Sie tägliche Hochintensitätseinheiten (z. B. 30 Minuten Vollgas-Rudern). Stattdessen: Mischen Sie moderate Einheiten, kurze Intervalltrainings und Ruhetage. Kombinationstraining – etwa Schwimmen, Radfahren oder Yoga – hilft, überlastete Muskelgruppen zu entlasten und gleichzeitig die allgemeine Fitness zu erhalten.
Ebenso wichtig ist das Hören auf den eigenen Körper. Schmerzen sind Warnsignale, keine Herausforderungen. Lernen Sie zu unterscheiden zwischen normalem Muskelkater (nach 24–48 Stunden verschwunden) und Anzeichen einer Verletzung (anhaltender Schmerz, Schwellung, Taubheit, eingeschränkte Beweglichkeit). Bei Beschwerden: Intensität reduzieren, Technik überprüfen oder einen zusätzlichen Ruhetag einlegen. „No pain, no gain“ ist ein Mythos – nachhaltiger Fortschritt entsteht durch Erholung und Achtsamkeit.
Unterstützende Muskulatur stärken
Rudern beansprucht vor allem Beine, Rumpf und Rücken – doch unterstützende Muskeln sind ebenso wichtig. Schwäche oder Ungleichgewicht führen zu Kompensationsbewegungen und erhöhen die Verletzungsgefahr. Ergänzende Übungen stärken diese Muskeln, verbessern Haltung und Stabilität.
Rumpfkraft ist zentral: Ein stabiler Core (Bauchmuskeln, schräger Bauch, unterer Rücken) hält den Oberkörper aufrecht und kontrolliert. Geeignete Übungen: Planks (Front und Seite), Bird-Dogs, Dead Bugs. Gesäßmuskulatur: Schwache Glutealmuskeln führen dazu, dass der Rücken zu viel Arbeit übernimmt. Übungen wie Glute Bridges, Clamshells oder Hip Thrusts aktivieren die Gesäßmuskeln und fördern stabile Hüftstreckung. Oberer Rücken: Starke Rhomboiden und Trapezmuskeln beugen Schulterproblemen vor. Ideal sind leichte Ruderübungen mit Kurzhanteln, Face Pulls oder Scapular Push-ups.
10–15 Minuten, zwei- bis dreimal pro Woche, reichen aus, um die unterstützende Muskulatur zu stärken – für bessere Leistung und weniger Verletzungen.
Auf die Körpersignale achten
Der letzte – und oft übersehene – Aspekt der Verletzungsprävention ist das achtsame Wahrnehmen der eigenen Körpersignale. Jeder Mensch reagiert anders auf Belastung. Was für den einen ein leichtes Ziehen ist, kann für den anderen ein Warnsignal sein.
Normaler Muskelkater (DOMS) tritt typischerweise 24–48 Stunden nach dem Training auf und verschwindet durch Bewegung oder leichtes Dehnen. Warnsignale für Verletzungen sind hingegen anhaltende, stechende Schmerzen, Schwellungen, Taubheitsgefühle oder Bewegungseinschränkungen. Diese sollten niemals ignoriert werden. Stattdessen sollte man sofort die Intensität reduzieren, die Technik anpassen oder eine Pause einlegen.
Beobachten Sie, wie Ihr Körper reagiert: Wenn der untere Rücken nach einer Einheit verspannt ist, konzentrieren Sie sich beim nächsten Mal auf Core-Aktivierung und reduzieren Sie den Widerstand. Wenn die Knie schmerzen, überprüfen Sie die Fußstellung und die Bewegungsachse. Kleine Anpassungen – etwa kürzere Züge oder längere Pausen – verhindern, dass aus kleinen Problemen ernsthafte Verletzungen werden.









