Das Armpotenzial mit dem Rudergerät freisetzen
Das Rudergerät ist ein vielseitiges Fitnessgerät, dessen Wert weit über seinen Ruf als reiner Ausdauertrainer hinausgeht. Während es für sein Ganzkörpertraining bekannt ist, wird die besondere Rolle der Arme beim Aufbau von Kraft und Ausdauer oft unterschätzt. Im Gegensatz zu isolierten Übungen, die sich auf einzelne Muskelgruppen konzentrieren, integriert das Rudern die Arme in eine fließende, komplexe Bewegung, die gleichzeitig die Muskelkondition und die aerobe Leistungsfähigkeit verbessert. Die Arme – bestehend aus Bizeps, Trizeps, Deltamuskeln und Unterarmen – sind keine passiven Teilnehmer, sondern aktive Antreiber bei jedem Zug, was das Rudergerät zu einer äußerst effizienten Plattform für das Oberkörpertraining macht.
Für Sportler und Fitnessbegeisterte liegt der Reiz im doppelten Vorteil: Während Beine und Rumpf den Großteil des Vortriebs erzeugen (ca. 60 % bzw. 20 %), verfeinern die Arme die Kontrolle, halten den Schwung aufrecht und verstärken die Ausdauer. Diese Synergie ist besonders wertvoll für alle, die funktionelle Kraft anstreben – Bewegungen, die den Anforderungen des Alltags entsprechen – oder für Personen, die den Oberkörper straffen möchten, ohne die Gelenke wie beim herkömmlichen Gewichtheben zu belasten. Durch die gezielte Einbindung von spezifischen Armübungen am Rudergerät lässt sich eine gewöhnliche Cardioeinheit in ein umfassendes Oberkörpertraining verwandeln, das zu schlankem Muskelwachstum, verbesserter Ausdauer und besserer Koordination führt.
Die Wissenschaft hinter dem Armeinsatz beim Rudern
Um das Potenzial des Rudergeräts für den Armentrainingserfolg voll auszuschöpfen, ist ein tieferes Verständnis der Biomechanik entscheidend. Jeder Ruderschlag besteht aus vier klar definierten Phasen – Catch (Einstieg), Drive (Antrieb), Finish (Abschluss) und Recovery (Rückführung) – die jeweils unterschiedliche Muskelgruppen der Arme in einer koordinierten Abfolge beanspruchen.
Catch (Startposition): Die Arme sind vollständig nach vorne gestreckt, die Schultern entspannt, die Schienbeine senkrecht. Unterarme und Schultern stabilisieren den Griff am Griffstück und bereiten die Arme auf den kommenden Zug vor. Hier wird nur wenig Kraft aufgewendet, aber diese Phase stärkt die Handgelenkausrichtung und die Griffausdauer – beides Grundlagen für eine nachhaltige Leistung.
Drive (Krafterzeugung): Eingeleitet durch das Abstoßen der Beine von der Fußplatte, geht der Antrieb in eine Rumpfrotation über und endet schließlich mit dem Armeinsatz. Wenn die Knie gestreckt sind und der Oberkörper sich nach hinten lehnt, ziehen die Arme den Griff in einer geraden Linie in Richtung untere Rippen. Jetzt stehen Bizeps und Unterarme im Mittelpunkt: Die Bizeps ziehen konzentrisch zur Ellenbogenbeugung zusammen, während die Unterarme (über Handgelenkstrecker und -beuger) den Griff fest und kontrolliert halten. Die Trizeps stabilisieren das Ellenbogengelenk und sorgen für eine reibungslose Kraftübertragung vom Rumpf auf den Griff.
Finish (maximale Kraftabgabe): Am Ende des Schlages sind die Ellenbogen vollständig gebeugt, der Griff befindet sich knapp unterhalb des Brustkorbs, die Schultern sind leicht zurückgezogen. Die Bizeps erreichen ihre maximale Aktivierung, während die Deltamuskeln (insbesondere der hintere Deltamuskel) die Schultern stabilisieren und ein Überstrecken verhindern. Präzision ist hier entscheidend – zu starkes Zupacken führt zu schneller Ermüdung, zu wenig Armeinsatz mindert die Leistung.
Recovery (Rückkehr zur Startposition): Zuerst strecken sich die Arme, dann beugt sich der Oberkörper nach vorne, schließlich kehren die Beine in die Ausgangsposition zurück. Hier arbeiten die Trizeps, um die Ellenbogenstreckung langsam und kontrolliert zu steuern. So wird verhindert, dass die Arme zurückschnellen, und die Bereitschaft für den nächsten Antrieb bleibt erhalten.
Ein zentrales Konzept der Rudertechnik ist die 60-30-10-Regel: 60 % des Vortriebs kommen aus den Beinen, 30 % aus dem Rumpf (Körperrotation) und 10 % aus den Armen. Auch wenn die Arme den kleinsten Anteil leisten, ist ihre Rolle bei der Steuerung des Rhythmus und der Aufrechterhaltung der Ausdauer überproportional wichtig. Durch gezielte Anpassung des Ruderschlags – z. B. einen langsameren Antrieb mit stärkerem Armeinsatz – lässt sich die Armaktivierung verstärken, ohne die Effizienz zu beeinträchtigen.
Gezielte Armübungen am Rudergerät
Um einzelne Armmuskeln gezielt zu stärken, lassen sich folgende Variationen problemlos in das reguläre Rudertraining einbauen. Diese Modifikationen verändern die klassische Technik so, dass der Oberkörper stärker im Vordergrund steht, während die korrekte Form erhalten bleibt.
Power Pulls für Bizeps und Unterarme
Ziel: Bizepshypertrophie und Unterarmausdauer durch kontrollierte, spannungsreiche Züge verbessern.
Ausführung: In der Catch-Position mit entspanntem Griff beginnen. Beim Antrieb den Griff nur mit den Armen (minimale Beinarbeit) in Richtung untere Rippen ziehen. Die Bewegung im Verhältnis 2:1 oder 3:1 verlangsamen (z. B. 3 Sekunden ziehen, 1 Sekunde zurück), mit starker Bizepskontraktion am Ende. Handgelenke gerade halten und durch festen Griff die Unterarme aktivieren.
Trizepsgesteuerte Rückführung
Ziel: Trizepskräftigung durch kontrollierte Armstreckung in der Rückführungsphase.
Ausführung: Nach dem Finish die Arme schnell ausstrecken, während der Rumpf stabil bleibt. Die Streckung bewusst langsam steuern, nicht durch Schwung. Trizeps (besonders der lange Kopf) arbeiten exzentrisch zur Verlangsamung und konzentrisch zur Streckung. Zur Intensivierung kurz in voller Streckung pausieren.
High-Elbow-Finish für Deltamuskeln
Ziel: Aktivierung hinterer und seitlicher Deltamuskeln für bessere Schulterstabilität und Oberkörperhaltung.
Ausführung: Am Ende des Antriebs die Ellenbogen 2–3 cm höher als gewöhnlich anheben, bevor der Griff abgesenkt wird. Dadurch verlagert sich die Kraft von den Bizeps auf die Deltamuskeln, die Schulterstabilisatoren arbeiten gegen das Vorfallen der Schultern.
Durch den wöchentlichen Wechsel dieser Übungen (z. B. eine Einheit mit Power Pulls, eine andere mit Trizeps-Rückführung) lässt sich jede Armmuskelgruppe gezielt trainieren und gleichzeitig vom Ganzkörpernutzen des Ruderns profitieren.
HIIT-Protokolle für Armausdauer
Hochintensives Intervalltraining (HIIT) ist eine wirksame Methode, um die Armausdauer am Rudergerät zu steigern. Kurze, maximale Belastungen wechseln sich mit aktiver Erholung ab, wodurch die Muskelausdauer intensiv gefordert wird.
Beispiel für ein 15-minütiges HIIT-Workout:
Aufwärmen (3 Min.): Moderates Tempo (20–22 SPM), Arme locker halten.
Belastungsintervalle (30 Sek.): Hohes Tempo (26–30 SPM), explosive Armzüge, Ellenbogen nah am Körper.
Erholungsintervalle (1 Min.): 20 SPM, kontrollierte Armstreckung in der Rückführung, Trizeps bewusst einsetzen.
Wiederholung: 5–7 Zyklen, je nach Fitnesslevel.
Abkühlen (2–3 Min.): 18–20 SPM, lockeres Rudern, Puls senken.
Diese Methode trainiert die Arme unter Ermüdung, verbessert die Laktatschwelle und steigert die Leistungsfähigkeit auch in anderen Sportarten wie Klettern oder Schwimmen.
Techniktipps für maximalen Armerfolg
Saubere Technik ist der Schlüssel zu effektivem Armtraining auf dem Rudergerät. Fehler leiten die Belastung von den Zielmuskeln ab oder erhöhen das Verletzungsrisiko.
Häufige Fehler und Korrekturen:
Zu früher Armeinsatz im Antrieb: Viele Anfänger ziehen zu früh mit den Armen, was die Effizienz mindert. Korrektur: 60-30-10-Regel befolgen – zuerst Beine, dann Rumpf, dann Arme.
Schultern hochziehen: Verspannte Schultern reduzieren die Bewegungsfreiheit. Korrektur: Schultern unten und entspannt halten, am Ende leicht zurückziehen.
Ellenbogen überstrecken: Volles Durchdrücken belastet die Gelenke. Korrektur: 5–10 Grad Restbeugung beibehalten.
Zu fester Griff: Übermäßiger Griffdruck ermüdet die Unterarme. Korrektur: Fester, aber entspannter Griff, Handgelenke neutral.
Zusätzlich sollte die Atmung synchronisiert werden (Ausatmen beim Antrieb, Einatmen bei der Rückführung) und der Rhythmus konstant bleiben.
Über Wiederholungen hinaus: langfristiger Armaufbau
Für nachhaltigen Erfolg sind progressive Belastungssteigerungen nötig:
Widerstand erhöhen: Schrittweise Dämpfereinstellung erhöhen, um mehr Kraftaufwand zu erfordern.
Schlagfrequenz steigern: Höhere SPM erzwingen schnellere Arm- und Erholungsarbeit.
Ergänzungstraining: Widerstandsbänder oder leichte Hanteln für Bizeps-Curls, Trizeps-Kickbacks oder Handgelenkcurls nutzen.
Das Rudergerät kombiniert Kraft und Ausdauer gelenkschonend in einem Rhythmus, der funktionelle Oberkörperkraft aufbaut, ohne das Bindegewebe zu überlasten.
Wer diese Prinzipien – gezielte Übungen, HIIT-Protokolle, Technikoptimierung und progressive Belastung – konsequent umsetzt, wird das volle Potenzial seiner Arme ausschöpfen: mehr Kraft, mehr Ausdauer und ein ausgeglichener, belastbarer Oberkörper.









